S. Volkart: Bilderwelt des Spätmittelalters

Cover
Titel
Bilderwelt des Spätmittelalters. Die Wandmalereien im Kloster Töss


Autor(en)
Volkart, Silvia
Reihe
Neujahrsblatt der Stadtbibliothek Winterthur Band 345
Erschienen
Zürich 2011: Cicero Verlag
Anzahl Seiten
203 S.
Preis
URL
Rezensiert für infoclio.ch und H-Soz-Kult von:
Martina Wehrli-Johns

Der Freskenzyklus im Kreuzgang des Dominikanerinnenklosters Töss bei Winterthur entstand im ersten Jahrzehnt des 16. Jahrhunderts und wurde 1851 im Zuge der industriellen Umnutzung der ehemaligen Klostergebäude zerstört. Er existiert seitdem nur noch in alten Ansichten und bemerkenswert detailgetreuen Kopien verschiedener Künstler, die in Fachkreisen zwar bekannt, einer breiten Öffentlichkeit hingegen verborgen blieben. In Auseinandersetzung mit diesen Nachzeichnungen und der älteren Forschung nimmt die Kunsthistorikerin Silvia Volkart zusammen mit Peter Niederhäuser und Heinz Hinrikson dieses vergessene Kulturdenkmal erneut in den Blick. Ihre gemeinsame Spurensuche wird durch ein reiches Bildmaterial in hervorragender Wiedergabe dokumentiert, wofür dem Verlag und der Herausgeberschaft ausdrücklich gedankt sei. Als Basis für ihre Untersuchung dienten die Aquarelle und Zeichnungen von Paul Julius Arter (1797–1839), Johann Conrad Werdmüller (1819–1892) und August Corrodi (1826–1885), die in den sehr lesenswerten Beiträgen von Heinz Hinrikson zur Rezeptionsgeschichte näher vorgestellt werden. Hinrikson weist auf die Pionierrolle der 1832 gegründeten Antiquarischen Gesellschaft in Zürich, in deren Auftrag bereits 1837 ihr Vorstandsmitglied Ingenieur Ludwig Schulthess-Kaufmann (1805–1844) und der junge Kupferstecher Werdmüller in Töss tätig wurden. Während die etwas älteren Ansichten von Arter rasch in Vergessenheit gerieten, bedeuteten Werdmüllers Aquarelle einen Wendepunkt in der Bewertung dieser Fresken. Der gemeinsam von Hinrikson und Volkart erstellte Katalog der Wandgemälde behandelt deshalb zur Hauptsache seine 79 Blätter umfassende Kopie des Bildzyklus, die sich heute in der Zentralbibliothek Zürich befindet. Die Skizzen des Malers August Corrodi, der als Sohn des Tösser Pfarrers Wilhelm Corrodi (1798–1868) noch selber im Kloster aufgewachsen war, regten den Winterthurer Stadtbibliothekar Albert Haffner, Begründer des Historisch-Antiquarischen Vereins in Winterthur (1874), zu dessen kunsthistorischen Studien über Töss an (1879). 1904 /1905 veröffentlichte Johann Rudolf Rahn (1841–1921) in den Mitteilungen der Antiquarischen Gesellschaft seine Untersuchungen zu den Wandmalereien in Oetenbach und Töss.

In ihrer ausführlichen Studie zum Tösser Bildzyklus geht Volkart zunächst auf den historischen Kontext näher ein. Töss erhielt 1469–1491 ein neues Klausurgebäude, das sowohl den gestiegenen Komfortansprüchen wie auch den strengen Klausurbestimmungen genügen sollte. Der Druck zur Einhaltung der Klausur ging von der Ordensleitung aus, Volkart vermutet deshalb zu Recht, dass die Ausmalung des neuen Kreuzganges mit Reformbestrebungen innerhalb der Provinz Teutonia zusammenhängen könnte. In der Datierung folgt sie den Überlegungen Rahns und nicht der in Band VI der «Kunstdenkmäler des Kantons Zürich» (1952) vertretenen Ansicht von Emanuel Dejung und Richard Zürcher, die der Überzeugung waren, dass der Zyklus noch vor 1491vom Winterthurer Maler Hans Haggenberg (um 1450–1515) geschaffen wurde. Volkart befasst sich nicht näher mit dieser Werkstattzuschreibung, sondern präsentiert einen völlig neuen Ansatz zur Lösung der Urheberschaft: Das Tösser Bildprogramm sei abhängig von Vorbildern und Vorlagen, die über den Nürnberger Buchdruck in die Ostschweiz gelangt seien. Möglich sei auch der Einfluss illustrierter Historienbibeln aus der Werkstatt des Elsässers Diebold Lauber, denn die Wandmalereien mit ihren verschiedenen Szenen aus dem Alten und dem Neuen Testament, reichend von der Schöpfung bis zur Auferstehung Christi, seien letztlich nichts anderes als eine «Historienbibel im Grossformat». Den in der Sockelzone aufgemalten Wappen der Stifter geht Peter Niederhäuser nach und leistet damit einen willkommenen Beitrag zur Sozialgeschichte des Klosters kurz vor dessen Aufhebung im Jahre 1525. In seiner kurzen Einführung in die Geschichte von Töss werden auch die verschiedenen Forschungspositionen zur Gründung des Klosters und der dort entstandenen mystischen Literatur angesprochen. Ob der Bild zyklus noch in dieser Tradition steht, möchte man aber bezweifeln. Die Vergegenwärtigung des biblischen Heilsgeschehens, wie sie im Kreuzgang von Töss beabsichtigt war, weist m. E. wenig Gemeinsamkeiten mit dem Tösser Schwesternbuch und der spekulativen «Mystik» des 14. Jahrhunderts auf. Insofern tragen die Ergebnisse dieses anregenden Bandes auch zu einer realistischeren Sicht auf die Geschichte dieses Klosters bei.

Zitierweise:
Martina Wehrli-Johns: Rezension zu: Silvia Volkart: Bilderwelt des Spätmittelalters. Die Wandmalereien im Kloster Töss. Mit Beiträgen von Heinz Hinrikson und Peter Niederhäuser sowie Zeichnungen von Beat Scheffold. Zürich, Chronos-Verlag, 2011. Zuerst erschienen in: Schweizerische Zeitschrift für Geschichte Vol. 62 Nr. 1, 2012, S. 164-165

Redaktion
Zuerst veröffentlicht in

Schweizerische Zeitschrift für Geschichte Vol. 62 Nr. 1, 2012, S. 164-165

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